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Völlig losgelöst: Felix Murot (Ulrich Tukur) im Traum. Bild: HR/Bettina Müller
Im „Tatort: Murot und das Paradies“ begibt sich Ulrich Tukur als LKA-Ermittler auf Glücksreise. Sie kann tödlich enden, muss er erkennen, nachdem er sich in fremde Welten geträumt hat. Das setzt der Film phantastisch um.
Einmal, so erzählt es der an der Welt verzweifelnde Murot (Ulrich Tukur) seinem Analytiker Dr. Wimmer (Martin Wuttke), war er im Traum glücklich. Mit Gott sprechen, das sei sein dringendster Wunsch. Jetzt hatte er seine Nummer, er brauchte nur anzurufen. Und? „Er ist nicht rangegangen.“
„Vielleicht ruft er ja jetzt zurück“, mutmaßt Dr. Wimmer, als Murots Mobiltelefon klingelt. Nicht Gott ist in der Leitung, sondern Kollegen. Ein Leichenfund, in den luxuriösen Wohnungen direkt am Main, mit Bootsanleger mitten in Frankfurt. Eine Investmentbankerin, verdurstet, obwohl sie tagelang im Wasser lag. Noch seltsamer: Ihr Nabel wurde entfernt und durch einen Port ersetzt. An den, so erläutert die Pathologin Dr. Dr. Kispert (Eva Mattes), könne eine Art Nabelschnur angedockt werden. Kurze Zeit später die zweite Leiche. Wieder ein erfahrener Trader, der sich kurz vor seinem Tod, dieses Mal durch Erfrieren, spektakulär zum Schaden der Bank verzockt hat. Auch er hat den Nabelport.
Und dann verschwindet Murot selbst
Keine Zeit für Psychoanalyse. Im Lauf der Ermittlungen, die in der Hauptsache die Unterschiede von Gier und Sehnsuchen oder Glückssuchenstress und Belohnungssystemerfüllung zum Gegenstand haben, verschwindet Murot, Vorname Felix (seine Eltern müssen Sinn für Humor gehabt haben), immer wieder, manchmal für Tage und zum Schluss hin ganz. Er verfällt äußerlich, seine Wohnung vermüllt. Aber er ist endlich glücklich. Denn Glück ist kein Ort, sondern ein Zustand.
Führen nichts Gutes im Schilde: Ruby Kortus (Ioana Bugarin, links) und Eva Lisinska (Brigitte Hobmeier) gaukeln Felix Murot (Ulrich Tukur) etwas vor. Bild: HR/Bettina Müller
Die „Tatorte“ mit dem Ermittler Murot, oft versponnen, skurril oder philosophisch grundiert, spielen mit den inhaltlichen und visuellen Möglichkeiten des Polizeifilmgenres, nehmen das Musikalische ernst und sind Zitatfundgruben. Dieses Mal musiziert wieder das HR-Sinfonieorchester, „An der schönen blauen Donau“, zum Filmzitat aus Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“. Ein „running gag“ bezieht sich auf das Begehren heterosexueller Männer, oder eher dessen lächerliche Form, als Vagina-Cupcakes, die mit verlegenem Lachen verspeist werden. Murots Mitarbeiterin Magda Wächter (Barbara Philipp), die ihren Chef einmal mehr aus hochnotpeinlicher, wenn nicht tödlicher Lage rettet, sieht schon anfangs klar. Diese Todesfälle seien „vollkommen gaga“.
Murot (Ulrich Tukur) nimmt ein Glücksbad. Bild: HR/Bettina Müller
Wie soll man in dieser Welt glücklich sein?
Alles Humbug? Kann man so sehen. Muss man aber nicht. Murots Unglück jedenfalls leuchtet ein. „Wie soll man bitte glücklich sein in einer Welt, die sich vor allem durch ihre Beschissenheit auszeichnet?“ Durch „die Dummheit der Menschen, die absurde Zerstörung der Natur, grenzenlose Ungerechtigkeit, eine ganze Armada von narzisstischen Arschlöchern, die irgendwo Präsident sind und alles kaputt machen, sinnlose Kriege, Hungersnöte, Kinder, die nie eine Chance haben, Gier, Ausbeutung, Korruption, Ignoranz – soll ich weitermachen?“ Das Unglück der Banker hingegen, die für die Täterinnen Eva Lisinska (Brigitte Hobmeier) und Ruby Kortus (Ioana Bugarin), die „unglücklichsten Menschen der Welt“ sind, „innerlich leer, das Leben dem Geld verschrieben“, ist von anderer Natur. Sie, heißt es hier, haben nie genug: Status, Macht ohne Vision, Reichtum. Sie sind ergo leichte Opfer. Ekstase und Gratifikation, fertig, meinen die Verbrecherinnen, denen sich auch Murot ausliefert. „Ihr Unglück ist eine Auszeichnung, das der Banker ein Armutszeugnis“: Hobmeiers verführerisch vorgetragene Banker-Bashing-Rede ist weniger glaubwürdig, sieht man die Selbstbereicherung hinter der erotischen Aufführung.
Trailer
„Tatort: Murot und das Paradies“
Video: Das Erste, Bild: HR/Bettina Müller
Florian Gallenberger, der 2001 für „Quiero ser“ den Oscar für den besten Kurzfilm gewann und hier für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnet, inszeniert mit dem Kameramann Holly Fink die durch das Hirn des Kommissars erzeugte Glückserfüllung in filmischen Miniaturen, die in Humor und erzählerischer Konsequenz das Beste an „Murot und das Paradies“ sind. Murots Glück: Baby an der Mutterbrust, Astronaut im Weltall, Gott geht ans Telefon („Du existierst?“ „Weil du es willst, Murot“) und spricht mit Hobmeiers Stimme, Murots Anschlag auf Hitler ist erfolgreich. Was er dem Analytiker noch erzählt: Im Glückszustand war er ein Rockstar, hatte jede Art von Sex, war Papst und hat die Kirche zugemacht, war jung, reich, schön, athletisch, kein herbstlich trauriger Loser, vor allem kein „stellvertretender Filialleiter der Sparkasse Butzbach“, als der er sich undercover auf der Party der supererfolgreichen Banker ausgegeben hat.
Womit freilich seine Reise ins „Paradies“ begann. Und zurück. Dass das Paradies nach dem Sündenfall der Reflexion nicht auszuhalten wäre, erkannten sinngemäß schon Philosophen des Idealismus. Bei Murot erscheint dieses Wissen am Ende etwas aufgewärmt. Das ändert nichts daran, dass dieser „Tatort“ seinen deprimierten Helden in guter Form zeigt. Einmal Wunscherfüllung und zurück: Mit Wuttke, Mattes, Hobmeier, Bugarin und dem übrigen Team kann dabei nichts schief gehen.
Der Tatort: Murot und das Paradies läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.
Quelle: F.A.Z.
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Author: Michelle Maxwell
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